Zum Ende dieses Jahres wird die letzte Zeche in Deutschland geschlossen. Jahrhunderte lang prägte dieser Industriezweig das Leben der in dieser Region wohnenden Arbeiter und Arbeiterinnen, unter anderem auch das unserer Glaubensgeschwister. Grund genug, sich am Ende dieser traditionsreichen Entwicklung auf eine Zeitreise zu begeben, um an den vielfältigen Stationen Halt zu machen und sich an menschliche Schicksale zu erinnern, die sozialen Errungenschaften herauszustellen und die gewaltige Wirtschaftskraft mit vielen Facetten zu beleuchten.
Am Freitag, 26. Oktober 2018, hatte Priester Helmut Schiwy zu einer Feierstunde im Seniorenzentrum Gute Hoffnung eingeladen. Er betreut auch die dort wohnenden Glaubensgeschwister. Als ehemaliger Steiger im Steinkohlenbergbau moderierte er die Feierstunde und gab aus seinem Erleben einige Anekdoten und Geschichten zum Besten.
In der Feierstunde berichtete Ralf Kusmierz, Priester in der Kirchengemeinde Bottrop-Mitte und Diplomingenieur in der Maschinentechnik unter Tage, über die interessante Entwicklung des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet. Hier sind nicht nur die gefährliche und schwere Arbeit des Bergmannes zu nennen, sondern auch die sozialen Errungenschaften zum Ende des 19. bzw. zum Anfang des 20. Jahrhunderts in vielfältiger Form. Waren zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch viele Grubenunglücke zu beklagen, konnte später die Arbeitssicherheit erhöht und die Arbeit durch moderne Maschinen und Ausbautechniken erleichtert werden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein eigener Sprachdialekt, hart und direkt, aber herzlich. Das Außergewöhnliche ist, dass es in keiner anderen Sprache einen vergleichbaren Gruß gibt wie den Bergmannsgruß: Glückauf. Was bleibt, ist der solidarische Druck, auch auf die Politik, dass kein Kumpel ins Bergfreie fällt.
In einer weiteren Ansprache berichtete der ehemalige Leiter des Kirchenbezirkes Essen, Bezirksältester Günter Törner, dass er zwar kein Kind des Ruhrgebietes ist, aber durch seine ehrenamtliche kirchliche Arbeit viel über den Bergbau und die darin arbeitenden Menschen erfahren hat. Unter anderem erzählte er von der Zeche, die der neuapostolischen Gemeinde in Herne gehörte. Sie war von dem Bischof Ludwig Hennrich im August 1947 auf dem kircheneigenen Grundstück der neuapostolischen Gemeinde in Bochum-Weitmar, die zum Kirchenbezirk Herne gehörte, gegründet worden und wurde Grube Johann Gottfried genannt. Im Einverständnis mit dem zuständigen Bezirksapostel plante und organisierte Ludwig Hennrich mit Hilfe von im Bergbau erfahrenen Glaubensbrüdern eine Förderanlage für den Kohlenabbau und lieferte in den Nachkriegstagen Brennmaterial für die zu seinem Kirchenbezirk gehörenden Versammlungsräume. Auch er arbeitete in dieser Grube und wusste die Arbeit des Bergmannes zu würdigen. Nachdem Bischof Hennrich Anfang 1949 verstorben war, wurde die Zeche am 29. März 1949 stillgelegt.
Üblicherweise überbrachten zur damaligen Zeit junge Mädchen dem Stammapostel als Leiter der Neuapostolischen Kirche einen Willkommensgruß. Bei seinem Besuch am 29. September 1946 in Herne trug aber entgegen dieser Gewohnheit Bischof Hennrich ein Begrüßungsgedicht vor, das sehr eindrucksvoll das Leben unserer Glaubensbrüder und ihren täglichen Kampf schildert, den sie bei ihrer schweren Arbeit unter Tage zu führen hatten.
Unter anderem sagte der Bischof: Einen Augenblick, lieber Stammapostel, und wund're Dich nicht, dass heute zur Begrüßung ein Mann zu Dir spricht, dass ich als Vater es selber wage und Dir ein herzlich Glückauf sage. Die Mädchen sagen alles mit so feinen Worten, und ich meine, das ziemt sich doch nicht an allen Orten. Darum kam ich, und frei sag ich's Dir: Du bist hier mitten im Kohlenrevier! Ich selber bin Knappe und schaffe im Berg, und wahrlich, es ist ein hartes Werk, dort unten im tiefen Kohlenschacht und immer in dunkler, finsterer Nacht. Dort unten, wo niemals Sonnenschein und immer nur Staub und nichts ist rein. Dort unten in stickiger Luft, die so heiß, dort unten ewig in Mühe und Schweiß. Dort unten ständig von der Gefahr umlauert, dass Rückweg und Ausfahrt für immer vermauert. Dort unten, wo wir ins harte Gestein mit Leib und Leben uns bohren hinein. Dort unten geben wir das Letzte her, und früh schon legt's sich auf die Lunge schwer, und sind wir im besten Alter noch, dann pfeifen wir doch aus dem letzten Loch. Staublunge und bescheid'ner Invalidendank, dauerndes Siechtum und für immer krank etc. (Törner, G. & Törner, A. (2013). Bischof Ludwig Hennrich (1894–1949). Groß und unvergessen. Eine Zusammenstellung von Quellen. Bottrop: Selbstverlag, 238 Seiten.)
Dann referierte sehr eindrucksvoll Priester i.R. Karl Theil aus der Kirchengemeinde Bottrop-Boy als ehemaliges Mitglied der Grubenwehr über die Benzin-Sicherheitswetterlampe, die Ende des 19. Jahrhunderts durch entscheidende Neuerungen die Sicherheit im Bergbau erheblich erhöhte.
Zum Abschluss des ersten Teils der Feierstunde führte Bezirksältester Michael Schiwy, ehrenamtlicher Seelsorger im Kirchenbezirk Ruhr-Emscher, eine kurze Andacht durch. Besonders gedachte er der vielen Bergleute, die im Laufe der Zeit durch Grubenunglücke ums Leben kamen und Leid und Trauer in die Familien brachten. Im Hinblick auf den bald anstehenden Gottesdienst für Entschlafene erinnerte er bei leiser Hintergrundmusik an die Grubenunglücke im 20. Jahrhundert, bei denen eine große Zahl an Bergleuten tödlich verunglückten.
Ein kleiner Teil des Bezirkschores IncantaRE erfreute durch seine Liedvorträge die Zuhörer und rundete die Beiträge der Referenten in besonderer Weise ab.
Im zweiten Teil der Feierstunde gab es typische Bergmannskost, Panhas, Schmalzbrote und Kesselfleischwurst. Auch sangen alle gemeinsam das bekannte Steigerlied: "Glückauf, Glückauf! Der Steiger kommt." Als die letzte Strophe gesungen wurde: "Die Bergmannsleut sein's kreuzbrave Leut, denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht und saufen Schnaps", gab es für die Anwesenden, die wollten, einen Schnaps.
Datenschutzeinstellungen
Mit Hilfe einiger zusätzlicher Dienste können wir mehr Funktionen (z.B. YouTube-Video-Vorschau) anbieten. Sie können Ihre Zustimmung später jederzeit ändern oder zurückziehen.
Datenschutzeinstellungen
Diese Internetseite verwendet notwendige Cookies, um die ordnungsgemäße Funktion sicherzustellen. Jeder Nutzer entscheidet selbst, welche zusätzlichen Dienste genutzt werden sollen. Die Zustimmung kann jederzeit zurückgezogen werden.
Einstellungen
Nachfolgend lassen sich Dienste anpassen, die auf dieser Website angeboten werden. Jeder Dienst kann nach eigenem Ermessen aktiviert oder deaktiviert werden. Mehr Informationen finden sich in der Datenschutzerklärung.